Die Bewertung von Unternehmen ist nicht nur bei einem geplanten Verkauf oder einer Finanzierung relevant, sondern besonders im Kontext von Erbschaften und Schenkungen. Das vereinfachte Ertragswertverfahren nach dem Bewertungsgesetz (§§ 199 ff. BewG) ist ein steuerliches Verfahren zur Ermittlung des gemeinen Werts, wenn keine Marktpreise vorliegen. Ziel ist eine einfache, standardisierte Bewertung mit geringem Aufwand für Steuerpflichtige und Finanzbehörden.
Doch was verbirgt sich hinter diesem Verfahren – und wo liegen Chancen und Grenzen?
Wie funktioniert das Verfahren?
Das Verfahren wird angewendet, wenn der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet werden kann und das Ergebnis nicht offensichtlich unzutreffend wäre.
Es basiert auf einer einfachen Idee: Der nachhaltig erzielbare Jahresertrag der letzten drei Jahre wird mit einem Kapitalisierungsfaktor multipliziert. Dieser Faktor leitet sich aus einem gesetzlich fixierten Basiszinssatz zuzüglich Zuschlag ab (aktuell: 13,75).
Formel & Beispiel
Ausgangspunkt ist der durchschnittliche, nachhaltig erzielbare Jahresertrag (bereinigt um bewertungsrechtliche Sondereffekte). Dieser wird mit dem Kapitalisierungsfaktor multipliziert:
Jahresertrag × Kapitalisierungsfaktor = steuerlicher Unternehmenswert
Parameter | Wert |
Nachhaltiger Jahresertrag | 200.000 € |
Kapitalisierungsfaktor | 13,75 |
Steuerlicher Unternehmenswert | 2.750.000 € |
Im Detail sind Korrekturen des Ertrags sowie die Hinzurechnung von nicht betriebsnotwendigem Vermögen zu beachten. Diese Feinheiten behandeln wir in einem separaten Beitrag.
Vorteile
- Einfache Anwendung: Klar strukturiert, ohne komplexe Cashflow-Planungen oder Marktrenditen.
- Planbarkeit: Rasch ein belastbarer Wert – hilfreich in Erbschaft– oder Schenkungsfällen.
- Standardisierung: Besonders für KMU ohne detaillierte Planung praxistauglich.
- Kosteneffizienz: Häufig günstiger als ein individuelles Bewertungsgutachten.
- Rechtssicherheit: Gesetzlich verankert (BewG) und von Finanzbehörden grundsätzlich anerkannt.
Aber Achtung: Ob ein Ergebnis „offensichtlich unzutreffend“ ist, bleibt eine Einzelfallfrage.
Nachteile
- Eingeschränkte Flexibilität: Der fixe Kapitalisierungsfaktor spiegelt individuelle Risiken, Branchenbesonderheiten oder Chancen nicht wider.
- Vergangenheitsorientierung: Drei Vorjahre sind nicht immer ein guter Blick in die Zukunft; Sondereffekte können verzerren.
- Keine Marktpreise: Tatsächliche Kaufpreise entstehen in Verhandlungen und anhand von Marktvergleichen – das Verfahren bildet diese oft nicht ab.
- Steuerlicher Wert ≠ wirtschaftlicher Wert: Bei Nachfolge oder Umstrukturierung kann der steuerliche Wert erheblich vom ökonomischen Wert abweichen – nach oben wie nach unten.
Fazit
Das vereinfachte Ertragswertverfahren liefert eine schnelle Grundlage für steuerliche Zwecke. In der Praxis ist es jedoch oft zu schematisch und spiegelt nicht immer den wirtschaftlichen Unternehmenswert wider.
Gerade bei Nachfolgeregelungen oder steueroptimierten Gestaltungen empfiehlt sich ergänzend ein IDW S 1-Gutachten oder der Einsatz alternativer Methoden. So lassen sich steuerliche und wirtschaftliche Interessen besser in Einklang bringen.
Unser Tipp
Planen Sie eine Schenkung, Erbschaft oder Unternehmensnachfolge? Sprechen Sie mit uns, bevor Sie Entscheidungen treffen. Wir prüfen, ob das Verfahren für Ihren Fall passt, zeigen Alternativen auf und optimieren gemeinsam Ihre steuerliche Gestaltung.
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