Bundesfinanzhof zur Abschaffung der schwedischen Schenkungsteuer
Im Königreich Schweden ist die Erbschaft- und Schenkungsteuer mit Wirkung ab dem Jahr 2005 abgeschafft worden. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 24.5.23 (II R 27/20) über die Frage zu entscheiden, welche Auswirkungen die Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden auf das Doppelbesteuerungsabkommen hat.
Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass mangels Steuerpflicht in Schweden dort keine abkommensrechtliche Ansässigkeit begründet werden kann und das Besteuerungsrecht – mangels Doppelansässigkeit – Deutschland zusteht.
Sachverhalt
Die Klägerin war Schwedin. Sie erhielt im Jahr 2005 von ihrem Vater Aktien einer schwedischen Aktiengesellschaft geschenkt. Der Schenker hatte zu diesem Zeitpunkt Wohnsitze in Deutschland und Schweden; sein Lebensmittelpunkt lag jedoch unstreitig in Schweden.
Damit unterlag die Schenkung jedenfalls in Deutschland aufgrund des inländischen Wohnsitzes der unbeschränkten Schenkungsteuerpflicht (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Die Klägerin begehrte jedoch, dass Deutschland dieses Besteuerungsrecht nicht ausüben dürfe.
Denn das zwischen Deutschland und Schweden abgeschlossene DBA (BGBl II 94, 686) sehe in Fällen der Doppelansässigkeit vor, dass die Person (nur) dort ansässig sei, wo sie ihren Lebensmittelpunkt habe. Da dieser in Schweden liege, könne nur Schweden das Besteuerungsrecht ausüben.
Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass es im Streitfall zu keiner Besteuerung kommen dürfe, da Schweden die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu Beginn des Jahres 2005 abgeschafft habe. Das deutsche Finanzamt setzte hingegen Schenkungsteuer aufgrund der Ansässigkeit in Deutschland fest, da das DBA-Schweden in diesem Fall keine Schutzwirkung entfalten könne.
Das Finanzgericht Baden-Württemberg (5.8.20, 7 K 2779/18) sah dies anders. Nach Auffassung des Finanzgericht ergibt sich aus dem genannten DBA das alleinige Besteuerungsrecht Schwedens. Die Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden habe keine Änderung des DBA-Schweden bewirkt. Deutschland habe daher kein Besteuerungsrecht für die Schenkung der Aktien.
Das beklagte Finanzamt wehrte sich jedoch gegen diese Entscheidung mit der Revision und bekam vor dem Bundesfinanzhof Recht.
Die steuerrechtliche Würdigung des Bundesfinanzhofs
Der Bundesfinanzhof hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und wies die Klage mit Urteil vom 24.5.23 ab (II R 27/20, Az. 237761). Die Schenkung der Anteile unterliegt in Deutschland der Schenkungsteuer. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs steht die Regelung in Art. 4 DBA-Schweden der Besteuerung in Deutschland nicht entgegen. Denn seit der Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer in Schweden für Zwecke der Schenkungsteuer bestehe keine „Ansässigkeit“ in Schweden mehr.
Der Begriff „eine in einem Vertragsstaat ansässige Person“ im Sinne des Abkommens bezieht sich für Zwecke der Schenkungsteuer auf eine Person, die „nach dem Recht dieses Staates dort auf Grund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthalts, des Ortes ihrer Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig ist“.
Für die Bestimmung der Ansässigkeit des Zuwendenden greift die Vorschrift somit auf das innerstaatliche Recht des Staates – hier Schwedens – zurück. Art. 4 Abs. 1 Buchst. b DBA-Schweden definiert den Begriff des Wohnsitzes oder des ständigen Aufenthalts als örtlichen Anknüpfungspunkt für die „Ansässigkeit“ im abkommensrechtlichen Sinne nicht.
Im Ergebnis fehlt es daher an der erforderlichen Ansässigkeit. Denn diese setzt danach voraus, dass die Erbschaft oder Schenkung „nach dem Recht dieses Staates dort […] steuerpflichtig ist“. Da Schweden jedoch seit 2005 die Schenkung- und Erbschaftsteuer abgeschafft hat, kann eine solche Steuerpflicht in Deutschland und damit die erforderliche Ansässigkeit in Schweden nicht bestehen.
Entsprechend hat der Bundesfinanzhof in den Parallelentscheidungen II R 28/20 und II R 29/20 entschieden. Dort ging es um Schenkungen an die Brüder der Klägerin. Auch diese hatten von ihrem Vater Vermögen geschenkt bekommen und mussten dieses in Deutschland versteuern. Auch sie wehrten sich dagegen – im Ergebnis leider erfolglos.
Was bedeuten das Urteil des Bundesfinanzhofs für die Praxis?
Der Bundesfinanzhof hat klargestellt, dass Deutschland trotz der Regelung im DBA-Schweden ein Besteuerungsrecht zusteht, wenn der Schenker in einem ausländischen Staat einen Wohnsitz hat, dort im Zeitpunkt der Schenkung auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat, die Schenkung in diesem Staat aber wegen der Abschaffung der Schenkungsteuer dort nicht mehr steuerpflichtig ist.
Damit hat sich der Bundesfinanzhof sowohl der Auffassung der Vorinstanz als auch namhafter Stimmen in der Literatur (u.a. Schmid in: Wassermeyer, DBA, Schweden, vor Art. 24 bis 28 Rn. 5; Eisele in: Kapp/Ebeling, ErbStG, § 21 Rn. 71.1) widersprochen.
Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs dürfte in der Praxis nur geringe Bedeutung haben, da Deutschland nur wenige DBA abgeschlossen hat und von den Staaten, mit denen ein solches Abkommen besteht, nur Schweden keine Schenkung- und Erbschaftsteuer mehr erhebt.
Sie zeigt aber, dass bei grenzüberschreitenden Sachverhalten genau zu prüfen ist, in welchem Staat ein Besteuerungsrecht besteht und dass Besteuerungsrechte grundsätzlich in mehreren Staaten bestehen können.
Gründe hierfür können sowohl die Mehrfachansässigkeit des Schenkers/Erblassers als auch die Ansässigkeit des Beschenkten/Erben bzw. des Vermächtnisnehmers und des Schenkers/Erblassers in verschiedenen Staaten sein. Ein weiterer Grund kann das Nebeneinander von beschränkter und (ggf. mehrfacher) unbeschränkter Steuerpflicht sein.
Die Regelung des Art. 4 DBA-Schweden läuft somit seit der Abschaffung der Erbschaft- und Schenkungsteuer ins Leere und kann insbesondere das Besteuerungsrecht Deutschlands nicht einschränken. Folgerichtig ist eine Besteuerung der Schenkung der Anteile in Deutschland nach Auffassung des Bundesfinanzhofs möglich.
Die Entscheidung zeigt auch, dass selbst in den Fällen, in denen der andere Staat dann keine Schenkung- oder Erbschaftsteuer erhebt (wie z.B. Österreich und Tschechien), Deutschland dennoch
besteuert und damit der Vorteil der Nichtbesteuerung in diesem Staat verloren geht, solange in Deutschland eine unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht besteht. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn in einem DBA etwas anderes geregelt ist.
Dies dürfte jedoch nur ausnahmsweise der Fall sein, da Deutschland auf dem Gebiet der Erbschaft- und Schenkungsteuer nur wenige solcher Abkommen abgeschlossen hat (vgl. BMF vom 18.2.21, BStBl. I 21, 265; noch bestehende Abkommen mit Dänemark, Frankreich, Griechenland, Schweden, Schweiz und USA).
Fundstelle: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.5.23 II R 27/20; ErbBstg, Fachbeitrag v. 27.03.2024, Ausgabe 04 / 2024, S. 83.
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