Der Bundesfinanzhof folgt der Finanzverwaltung bei den erbschaftsteuerlichen Folgen der sogenannten „Jastrow´schen Klausel“
Der Bundesfinanzhof hat über die steuerlichen Folgen eines Berliner Testaments entschieden.
Dabei setzen sich Ehepaare gegenseitig als Erben ein – erst nach deren Tod sollen die Kinder erben.
Doch der Staat kassiert unter Umständen doppelt Erbschaftsteuer.
Rund 60 Prozent der Ehepaare und Lebenspartnerschaften haben 2018 eine solche Regelung getroffen. Dass eine solche Regelung aber auch steuerliche Nachteile haben kann, darauf hat jetzt das oberste Steuergericht in München hingewiesen.
Beim Berliner Testament setzen sich die Ehegatten für den ersten Erbfall gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen die Kinder zu Schlusserben (z.B. zu gleichen Teilen). Ziel ist eine gerechte Verteilung des Nachlasses unter den Kindern, aber zunächst die Versorgung des überlebenden Ehegatten.
Die Kinder können diese Konstruktion jedoch durchbrechen, indem sie beim Tod des Erstversterbenden ihren Pflichtteil geltend machen. Um dies zu verhindern, kann eine Strafklausel aufgenommen werden, z.B. die Jastrowsche Klausel.
Über einen solchen Fall hatte jetzt der Bundesfinanzhof zu entscheiden (Urteil vom 11.10.23, II R 34/20; PM Nr. 11/24 vom 27.2.24). Das Urteil zeigt, dass solche Regelungen zumindest aus erbschaftsteuerlicher Sicht nachteilig sein können.
1. Sachverhalt
Die Eltern der Beschwerdeführerin (K) setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein, wobei der überlebende Ehegatte frei über den Nachlass und sein eigenes Vermögen verfügen konnte. Als Erben des überlebenden Ehegatten setzten die Eheleute K und drei ihrer Schwestern ein. Ein Bruder und eine Schwester wurden enterbt.
Darüber hinaus enthielt das Berliner Testament eine Jastrowsche Klausel. Diese sah vor, dass für den Fall, dass eines der Kinder nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils den Pflichtteil verlangt, dieses Kind auch vom Nachlass des letztversterbenden Elternteils nur den Pflichtteil erhalten sollte.
Diejenigen Erben, die beim Tode des Erstversterbenden nicht den Pflichtteil verlangen, sollen beim Tode des längerlebenden Ehegatten aus dem Nachlass des Erstversterbenden ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils erhalten, das erst beim Tode des längerlebenden Ehegatten fällig wird.
Die enterbten Geschwister der K machten nach dem Tod des erstverstorbenen Vaters ihren Pflichtteil geltend. K erwarb daher mit dem Tod des Vaters ein entsprechendes Vermächtnis, das mit dem Tod der Mutter fällig wurde.
Nachdem auch die Mutter verstorben war, setzte das Finanzamt gegen K Erbschaftsteuer für den Erwerb nach der Mutter fest. Es rechnete das Vermächtnis weder dem Erwerb hinzu noch zog es es als Nachlassverbindlichkeit ab. K war dagegen der Ansicht, das Vermächtnis sei bei ihr doppelt hinzugerechnet worden und daher als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Der Bundesfinanzhof war anderer Ansicht.
2. Entscheidung
Der Wert des Vermächtnisses wurde erst nach dem Tod des Vaters bei der Mutter als seiner Alleinerbin besteuert. Da das Vermächtnis zu diesem Zeitpunkt zwar bereits entstanden, aber erst mit dem Tod der Mutter fällig geworden war, ging der Nachlass des Vaters ungeschmälert (einschließlich des Vermögens, aus dem das Vermächtnis zu erfüllen war) auf die Mutter über.
Die Mutter konnte die Vermächtnisschuld nicht von ihrem Nachlass abziehen, da sie diese mangels Fälligkeit nicht zu erfüllen hatte.
Nach dem Tod der Mutter musste K das nunmehr fällig gewordene Vermächtnis versteuern. Als Schlusserbin unterlag auch der Nachlass nach der Mutter der Erbschaftsteuer. Dort konnte sie die fällig gewordene Vermächtnisverbindlichkeit als Nachlassverbindlichkeit abziehen. Das Vermächtnis war somit bei K nur einmal steuerpflichtig.
Fundstelle
Bundesfinanzhof, Urteil vom 11. Oktober 2023 (II R 34/20), veröffentlicht am 27. Februar 2024, vgl. die Pressemitteilung 011/24.
Hinweis: Dass hinsichtlich des Vorausvermächtnisses im Ergebnis zweimal Erbschaftsteuer anfällt – einmal (ohne Abzugsmöglichkeit als Nachlassverbindlichkeit) bei der Mutter nach dem Tod des Vaters und ein weiteres Mal bei K nach dem Tod der Mutter – ist zwar ungünstig, aber rechtlich nicht zu beanstanden. Der Grund liegt nach Ansicht des Bundesfinanhof in der Jastrowschen Klausel, die das Vermächtnis zwar mit dem Tod des Erstversterbenden fällig stellt, aber erst mit dem Tod des länger lebenden Ehegatten.
Fazit – Freibeträge der Kinder werden beim Berliner Testament „verschenkt“.
Häufig machen sich Ehegatten keine Gedanken über die steuerlichen Folgen eines Berliner Testaments. Das Gesetz behandelt das Berliner Testament wie zwei Erbfälle, so dass zweimal Erbschaftsteuer anfällt. Im ersten Erbfall muss der überlebende Ehegatte Erbschaftsteuer zahlen, wenn sein Freibetrag von 500.000 Euro ausgeschöpft ist.
Im zweiten Erbfall sind die Kinder betroffen. „Die Kinder haben Freibeträge von jeweils 400.000 Euro. Diese werden aber beim Berliner Testament verschenkt“. Denn sie werden im ersten Erbfall zunächst enterbt.
Wer ein Berliner Testament errichten will, sollte nicht nur die zivilrechtlichen Aspekte, sondern auch die erbschaftsteuerlichen Folgen berücksichtigen.
Gerne unterstützen wir Sie bei der steuerlichen Beurteilung eines Berliner Testaments und zeigen Ihnen Optimierungsmöglichkeiten und Alternativen auf.
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